Reform soll Bundeswehr langfristig deutlich stärken
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag das neue Wehrdienstgesetz verabschiedet, das zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll. Ziel der Regierung ist ein erheblicher Ausbau der Einsatzbereitschaft – im Idealfall auf freiwilliger Basis. Gleichzeitig bleibt offen, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine verpflichtende Einberufung eingeführt wird, falls der Bedarf an Personal nicht gedeckt wird.
Bevor das Gesetz endgültig wirksam wird, muss der Bundesrat zustimmen. Die Reform knüpft an die ausgesetzte Wehrpflicht an, die 2011 außer Kraft gesetzt wurde.
Pistorius spricht von notwendigem Schritt zur Verteidigungsfähigkeit
Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete die Entscheidung als zentralen Baustein der Sicherheitsstrategie. Er betonte: „Das ist eine Diskussion, die notwendig ist.“ Auch die Proteste von Schülerinnen und Schülern zeigten, wie kontrovers das Thema in der Gesellschaft bewertet werde.
Zugleich machte Pistorius klar, dass Freiwilligkeit Grenzen habe: „Wenn es nicht reicht, werden wir um eine Teil-Wehrpflicht nicht umhinkommen.“ Die Bundeswehr müsse ausreichend Personal haben, um Deutschlands Sicherheit gewährleisten zu können: „Unsere Bundeswehr schützt auch die, die sie nicht ausrüsten wollen.“
Die Reform sieht vor, die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten bis 2035 von derzeit 183.000 auf 255.000 bis 270.000 zu erhöhen. Ergänzend sollen 200.000 Reservisten bereitstehen. Derzeit ist etwa die Hälfte davon tatsächlich verfügbar.
Neues Auswahl- und Musterungsverfahren ab 2026
Ab dem kommenden Jahr erhalten alle 18-jährigen Männer und Frauen eines Jahrgangs einen Erhebungsbogen, der online ausgefüllt wird. Männer sind zur Antwort verpflichtet, Frauen nicht. Das betrifft jährlich etwa 680.000 Personen (Geburtsjahrgang 2008).
Ab dem 1. Juli 2027 beginnt eine flächendeckende Musterung aller Männer eines Jahrgangs. Aufgrund logistischer Grenzen erfolgt die Einführung schrittweise. Jährlich müssen rund 300.000 junge Männer medizinisch und psychologisch geprüft werden.
Geeignete Kandidaten erhalten anschließend ein Angebot für den Dienst – der jedoch freiwillig bleibt. Die Mindestdauer beträgt sechs Monate und deckt vor allem Aufgaben in Heimat- und Objektschutz ab. Die aktive Truppe erfordert längere Ausbildungszeiten.
Bis Ende 2026 entstehen 24 neue Musterungszentren in größeren Städten, um kurze Wege und eine zügige Abwicklung zu ermöglichen. Die Bundeswehr verspricht moderne, „helle und freundliche“ Einrichtungen.
Anreize für Freiwillige: Höhere Vergütung und zusätzliche Leistungen
Um mehr junge Menschen für den Dienst zu gewinnen, erhöht die Bundesregierung den Sold deutlich. Freiwillige sollen künftig 2.600 Euro brutto (etwa 2.300 Euro netto) erhalten – rund 800 Euro mehr als bisher.
Nach 12 Monaten Dienstzeit werden Zuschüsse für den Führerschein eingeführt: 3.500 Euro für Pkw und 5.000 Euro für Lkw. Kostenfreie Unterkunft, Verpflegung und Bahnfahrten in Uniform bleiben bestehen. Zudem soll der Dienst möglichst wohnortnah ermöglicht werden.
Pistorius plant, die Zahl der Freiwilligen rasch zu steigern:
20.000 im Jahr 2026, 23.000 im Jahr 2027 und bis zu 38.000 ab 2030 – fast jeder achte junge Mann eines Jahrgangs.
Der Minister wird verpflichtet, dem Bundestag ab 2027 halbjährlich detaillierte Rekrutierungszahlen vorzulegen.
Was passiert, wenn Freiwillige nicht ausreichen?
Sollten sich nicht genügend Freiwillige melden, kann der Bundestag eine sogenannte Bedarfswehrpflicht beschließen. Dazu müsste das Parlament zunächst die Wehrpflicht reaktivieren und anschließend ein Losverfahren festlegen, das bestimmt, wer tatsächlich einberufen wird.
Die Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung bleibt bestehen. In diesem Fall wäre ein Ersatzdienst zu leisten, der faktisch einer Wiedereinführung des Zivildienstes gleichkäme.
Parallel bereitet die Bundeswehr einen massiven Ausbau der Infrastruktur vor. Bis 2031 sollen über 270 neue Gebäude in modularer Bauweise errichtet werden – Kostenpunkt: 3,5 Milliarden Euro.Auch für ältere Interessenten gilt weiterhin eine begrenzte Einstiegsmöglichkeit. Ein Wechsel zur Bundeswehr ist grundsätzlich auch mit 40 oder 50 Jahren möglich, vor allem im zivilen Bereich. Für körperlich anspruchsvolle Laufbahnen gelten jedoch strengere Altersgrenzen.
