Nach intensiven Sondierungsgesprächen haben CDU, CSU und SPD ein gemeinsames Papier vorgelegt, das die Grundlage für eine mögliche Koalition bildet. Auf elf Seiten sind zahlreiche Vorhaben zu Steuern, Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Migration und Klimapolitik skizziert. Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick:
Steuer- und Wirtschaftspolitik
- Senkung der Stromsteuer: Um Unternehmen und Privathaushalte zu entlasten, soll die Stromsteuer auf das in der EU zulässige Minimum gesenkt werden. Dies soll eine Reduzierung des Strompreises um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde bewirken.
- Steuererleichterungen für die Mittelschicht: Eine Reform der Einkommensteuer soll Menschen mit mittleren Einkommen finanziell entlasten.
- Höhere Pendlerpauschale: Wer weite Strecken zur Arbeit zurücklegt, soll künftig eine höhere steuerliche Entlastung erhalten.
- Förderung der Elektromobilität: Die Nachfrage nach Elektroautos ist seit der Abschaffung der Kaufprämie Ende 2023 stark gesunken. Um den Absatz wieder anzukurbeln, soll eine neue Kaufprämie eingeführt werden.
- Gastronomie: Die Umsatzsteuer auf Speisen in Restaurants bleibt dauerhaft bei sieben Prozent, nachdem die Ampel-Regierung den Steuersatz nach der Corona-Sonderregelung wieder auf 19 Prozent angehoben hatte.
- Agrardiesel für Landwirte: Die von der Ampel-Koalition beschlossene Streichung der Agrardiesel-Subventionen soll zurückgenommen werden, um die Landwirtschaft finanziell zu entlasten.
Arbeitsmarkt und Sozialpolitik
- Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn soll bis 2026 auf 15 Euro pro Stunde steigen, um die Kaufkraft zu stärken und die Binnennachfrage zu fördern.
- Rentenreform:
- Rentner, die freiwillig weiterarbeiten, sollen bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen.
- Die Mütterrente wird verbessert: Für vor 1992 geborene Kinder werden künftig drei statt zweieinhalb Erziehungsjahre auf die Rente angerechnet.
- Reform des Bürgergeldes:
- Die bisherige Regelung wird überarbeitet und soll sich künftig stärker auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt konzentrieren.
- CDU-Chef Friedrich Merz erklärte: „Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, müssen mit einem vollständigen Leistungsentzug rechnen.“
- Pflegeversicherung: Eine umfassende Pflegereform soll sicherstellen, dass die steigenden Kosten im Pflegebereich langfristig finanzierbar bleiben.
- Flexiblere Arbeitszeiten:
- Die tägliche Höchstarbeitszeit soll durch eine wöchentliche Obergrenze ersetzt werden.
- Zuschläge für Überstunden, die über die reguläre Vollzeit hinausgehen, werden steuerfrei gestellt.
Migration und Asylpolitik
- Staatsangehörigkeit: Die Ampel-Koalition hatte die Einbürgerungsregeln gelockert, unter anderem durch verkürzte Wartezeiten und die Erlaubnis der doppelten Staatsbürgerschaft für Nicht-EU-Bürger. Diese Regelungen bleiben bestehen.
- Grenzkontrollen und Zurückweisungen:
- Asylsuchende sollen an den Landgrenzen zurückgewiesen werden können, sofern es stationäre Grenzkontrollen gibt.
- Eine Zurückweisung ist jedoch nur möglich, wenn Nachbarländer zustimmen.
- Familiennachzug: Der Nachzug von Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter soll für eine noch ungeklärte Dauer ausgesetzt werden.
- Verschärfung der Abschiebepraxis:
- Eine „Rückführungsoffensive“ soll die Zahl der Abschiebungen erhöhen.
- Abgelehnte Asylbewerber erhalten künftig keinen verpflichtenden Rechtsbeistand mehr.
- Die Bundespolizei erhält die Befugnis, Abschiebehaft anzuordnen.
- Die Liste sicherer Herkunftsstaaten wird erweitert.
Wohnungsbau und Verkehr
- Mietpreisbremse:
- Die Mietpreisbremse wird für zwei weitere Jahre verlängert.
- Der soziale Wohnungsbau soll ausgebaut werden, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern.
- Deutschlandticket:
- Die Zukunft des 49-Euro-Tickets ist ungewiss.
- CDU und SPD wollen in den Koalitionsverhandlungen klären, ob und in welcher Form es fortgesetzt werden kann.
Weitere Reformpläne
- Wahlrecht: Die erst kürzlich geänderten Bundestagswahlregeln sollen erneut überprüft werden. Grund ist die Kritik daran, dass einige direkt gewählte Kandidaten kein Mandat erhielten.
- Klimapolitik:
- Der Fokus soll auf der Schaffung von Leitmärkten für klimaneutrale Produkte liegen.
- Vorgesehen sind unter anderem Quoten für grünen Stahl und erneuerbare Energieträger.
- CDU und SPD bekräftigen, dass sie sich an die deutschen und europäischen Klimaziele halten wollen.
Finanzierung und Sondervermögen
- 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen:
- Geplant ist ein Sondervermögen für Infrastrukturprojekte, das über zehn Jahre mit insgesamt 500 Milliarden Euro ausgestattet wird.
- Die Mittel sollen in folgende Bereiche fließen:
- Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Schienen, Brücken)
- Zivilschutz und Bevölkerungsschutz
- Krankenhausmodernisierung
- Energieinfrastruktur
- Bildungs- und Wissenschaftsförderung
- Digitalisierung und Forschung
Ausblick auf die Koalitionsverhandlungen
Mit dem Abschluss der Sondierungsgespräche haben CDU und SPD eine Grundlage für die anstehenden Koalitionsverhandlungen geschaffen. In diesen wird es nun darum gehen, die einzelnen Maßnahmen im Detail auszuarbeiten und eine endgültige Einigung zu erzielen.
Ob die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden und zu einer schwarz-roten Regierung führen, hängt von den Parteigremien und möglichen weiteren Kompromissen ab. Klar ist jedoch bereits jetzt: Die geplanten Reformen würden wesentliche wirtschaftliche, soziale und migrationspolitische Veränderungen mit sich bringen.
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Update:
Grüne blockieren Finanzpaket von Union und SPD
Die geplanten Grundgesetzänderungen für das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD stehen auf der Kippe. Die Grünen haben angekündigt, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Damit droht das Finanzpaket, das unter anderem ein 500 Milliarden Euro schweres schuldenfinanziertes Sondervermögen vorsieht, zu scheitern.
Ablehnung der Grundgesetzänderung
Laut Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge gibt es keine ausreichenden Gründe, den Vorschlägen von CDU, CSU und SPD zuzustimmen. Sie kritisierte, dass Union und SPD mit ihrem Konzept lediglich eine „Schatzkiste“ schaffen wollten, um Steuergeschenke zu verteilen. „Aus unserer Sicht sind das nicht die Dinge, die der Lage im Land angemessen sind.“
Stattdessen fordern die Grünen eine nachhaltige Reform der Schuldenbremse, die langfristig Investitionen in Wirtschaft und Klimaschutz ermöglicht. Franziska Brantner, Vorsitzende der Partei, betonte, dass die Grünen „nicht zur Verfügung stehen, um Wahlgeschenke von Union und SPD zu finanzieren.“
Grünen Fraktionschefin Katharina Dröge (mitte)
Kritik an Merz und Söder
Besonders das Verhalten von CDU-Chef Friedrich Merz sorgt für Unmut bei den Grünen. Merz hatte laut Dröge bereits mehrere Angebote unterbreitet, sogar auf die Mailbox ihrer Kollegin Britta Haßelmann, doch diese seien unzureichend. Auch die jüngsten Angriffe von CSU-Chef Markus Söder gegen die Grünen, insbesondere beim politischen Aschermittwoch, haben das Verhältnis zwischen den Parteien weiter belastet.
Union und SPD unter Zugzwang
Union und SPD hatten sich im Zuge der Koalitionsgespräche darauf geeinigt, die Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben zu lockern. Zusätzlich sollte ein 500-Milliarden-Euro-Fonds zur Finanzierung der Infrastruktur geschaffen werden. Die Grünen hatten zunächst keine eindeutige Position bezogen, nun aber eine klare Absage erteilt.
Der Zeitplan für die Umsetzung gerät damit ins Wanken. Die Grundgesetzänderung sollte am 13. März im Bundestag diskutiert und am 18. März vom alten Parlament verabschiedet werden. Ohne die Zustimmung der Grünen droht jedoch das gesamte Paket zu scheitern.
Union und SPD stehen nun vor der Herausforderung, neue Mehrheiten zu finden. Neben den Grünen könnten nun auch die Freien Wähler von Hubert Aiwanger eine Schlüsselrolle spielen. Ob es noch zu einer Einigung kommt, bleibt offen – fest steht jedoch, dass die Finanzierung der geplanten Projekte derzeit auf der Kippe steht.
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Update:
AfD-Abgeordnete klagen gegen Bundestags-Sondersitzung
Der Plan von Union und SPD, noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags Grundgesetzänderungen für ein milliardenschweres Finanzpaket zu verabschieden, sorgt für heftige Kritik. Fünf AfD-Abgeordnete haben beim Bundesverfassungsgericht Eilanträge eingereicht, um die geplanten Sondersitzungen zu stoppen. Auch die Linkspartei prüft rechtliche Schritte gegen das Verfahren.
Eilanträge vor dem Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass fünf AfD-Abgeordnete Eilanträge gegen die Einberufung des alten Bundestags gestellt haben. Drei von ihnen gehören noch dem bisherigen Parlament an, zwei sind bereits Teil des neuen Bundestags. Zudem wurde eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Die AfD-Abgeordneten argumentieren, dass es undemokratisch sei, mit einem nicht mehr repräsentativen Parlament weitreichende Verfassungsänderungen zu beschließen. Sie wollen verhindern, dass noch vor der Konstituierung des neuen Bundestags am 25. März Änderungen am Grundgesetz vorgenommen werden, die unter anderem eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben sowie die Schaffung eines 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Infrastruktur vorsehen.
Zuständig für die Entscheidung über die Klagen ist der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz von Vizepräsidentin Doris König. Ein Zeitpunkt für eine Entscheidung wurde bislang nicht genannt.
Linke erwägt ebenfalls Klage
Auch die Linkspartei prüft rechtliche Schritte gegen die Einberufung des alten Bundestags. Parteichef Jan van Aken erklärte, dass die Partei im Laufe des Tages über eine mögliche Klage entscheiden werde. „Es ist absolut undemokratisch, dass Union und SPD diese Grundgesetzänderungen noch mit den alten Mehrheiten beschließen wollen.“
Van Aken kritisierte, dass Millionen Menschen erst vor wenigen Wochen zur Wahl gegangen seien, um einen neuen Bundestag zu wählen, der nun ignoriert werde. „Warum bin ich eigentlich wählen gegangen, wenn die jetzt noch den alten Bundestag nehmen, weil ihnen der neue nicht gefällt?“
Zudem betonte er, dass die Schuldenbremse auch mit dem neuen Bundestag reformiert oder abgeschafft werden könne. Die Linke stehe grundsätzlich für Gespräche bereit, um über eine Anpassung der Schuldenregeln zu verhandeln.
Warum setzen Union und SPD auf den alten Bundestag?
Union und SPD haben sich darauf verständigt, ein umfangreiches Finanzpaket auf den Weg zu bringen, das unter anderem eine Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vorsieht. Gleichzeitig soll ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur geschaffen werden.
Für diese Verfassungsänderungen ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich – eine Mehrheit, die Union und SPD alleine nicht erreichen. Der alte Bundestag soll deshalb in zwei Sondersitzungen am 13. und 18. März einberufen werden, um noch mit den bestehenden Mehrheiten abzustimmen.
Nach der Konstituierung des neuen Bundestags am 25. März wäre eine Zweidrittelmehrheit nur noch mit den Stimmen der erstarkten AfD oder der Linkspartei möglich. Genau dies will die derzeitige Mehrheit aus Union und SPD offenbar vermeiden.
Bundestagspräsidentin erwartet Klagen
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas stellte klar, dass sie keine rechtliche Möglichkeit habe, die Sondersitzungen zu verhindern. Sobald ein Drittel der Abgeordneten die Einberufung verlangt, sei sie dazu verpflichtet. Union und SPD haben diesen Antrag bereits gestellt.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas
Bas rechnet jedoch damit, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingeschaltet wird. Ob die Richter die Einberufung tatsächlich noch stoppen, bleibt abzuwarten. Sollte das Gericht dem Eilantrag stattgeben, müssten Union und SPD eine neue Strategie für ihr Finanzpaket finden.