Industrie schlägt Alarm wegen Energiewende-Kosten
Deutschlands Energiebilanz steht vor einem massiven Wandel. Der jährliche Stromverbrauch könnte schon bis 2030 von 464 auf 670 Terawattstunden steigen. Bis 2035 wird sogar ein Verbrauch von 1000 TWh erwartet – eine Verdopplung gegenüber dem Status quo. Ursachen sind der wachsende Stromhunger durch Digitalisierung, Elektromobilität und Heiztechnologien.
600 Milliarden Euro für neue Leitungen veranschlagt
Das derzeitige Stromnetz ist nicht für diese Lasten ausgelegt. Im Ministerium von Katherina Reiche (CDU) geht man von Kosten in Höhe von 600 Milliarden Euro bis 2045 aus, um die notwendige Leitungsinfrastruktur zu schaffen. Die Ministerin plädiert daher für ein Umdenken bei der Priorisierung. Sie erklärt: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss sich am Ausbau des Stromnetzes orientieren.“
Verbrauch steigt – Infrastruktur hält nicht Schritt
Mit dieser Kehrtwende stellt sie sich gegen die bisherige Linie, in der Solar- und Windenergie nahezu ungebremst gefördert wurden – ohne Rücksicht auf die Netzkapazitäten.
Gaskraftwerke sollen Energieengpässe verhindern
Zur Absicherung der Grundlast sieht Reiche – wie ihr Vorgänger Robert Habeck – Gaskraftwerke als unverzichtbar. Sie sollen dann einspringen, wenn Photovoltaik und Windkraft nicht liefern. „Diese Dunkelflaute kann mehrere Wochen andauern. Dann muss unsere Stromversorgung trotzdem sicher funktionieren.“ Erste Ausschreibungen für entsprechende Kraftwerke sind noch in diesem Jahr geplant.
Gegenwind kommt von Koalitionspartnern, die die Rückkehr zu fossilen Energieträgern kritisch sehen. Dennoch wird die Notwendigkeit in Fachkreisen nicht bestritten – besonders angesichts des geplanten Kohleausstiegs bis spätestens 2038.
Wirtschaft mahnt realistischere Energiepolitik an
Aus der Industrie wächst der Druck, die Energiewende wirtschaftlicher zu gestalten. BDI-Vize Holger Lösch warnt: „Die extrem ambitionierte und teure Planung der Energiewende muss stärker an realen Nachfrage- und Kostenentwicklungen ausgerichtet werden.“
Auch aus der Automobilbranche kommen mahnende Stimmen. BMW-Chef Oliver Zipse betont die Risiken beim Hochlauf der Elektromobilität: „Es wird völlig übersehen, dass ein flächendeckender Umstieg auf E-Autos nur mit riesigem Netzausbau möglich ist – und der dauert Jahrzehnte.“
Stromversorgung bleibt Achillesferse der Klimawende
Ohne massive Investitionen droht der Umstieg auf ein klimaneutrales Stromsystem zu scheitern. Die bestehende Infrastruktur ist nicht auf einen flächendeckenden Verbrauch durch digitale Industrie, Elektromobilität und neue Heizsysteme ausgelegt. Reiche und Wirtschaftsvertreter fordern daher: mehr Realitätssinn bei der Planung – und schnelle Entscheidungen, um den Rückstand beim Netzumbau aufzuholen.