Hohe Ausfallquote bei Beratungsgesprächen
Im Jobcenter Berlin-Neukölln, das rund 58.000 Bürgergeldempfänger betreut, bleibt ein erheblicher Teil der Klienten den Beratungsgesprächen fern. Nach Angaben von Leiterin Dagmar Brendel erscheinen bei bis zu 30 Prozent der geladenen Personen keine Teilnehmer. Um pro Woche etwa 25 Gespräche pro Sachbearbeiter durchzuführen, müssen deshalb deutlich mehr Einladungen ausgesprochen werden.
„Totalverweigerer“ laut Brendel nur ein Randphänomen
Die Diskussion um die Reform des Bürgergelds ist geprägt von Begriffen wie „Totalverweigerer“. Brendel warnt vor einer pauschalen Darstellung: „Totalverweigerer ist ein politischer Kampfbegriff. In der Praxis handelt es sich um ein Randphänomen, das medial überzeichnet wird.“ Sie betont, dass nicht jedes Nichterscheinen mangelnde Arbeitsbereitschaft bedeute. Oft seien Krankheit, Betreuungsprobleme bei Kindern oder die Pflege von Angehörigen die Ursache.
Geplante Einsparungen sorgen für politischen Streit
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, die Ausgaben für das Bürgergeld um zehn Prozent senken zu wollen. Mit über 190 Milliarden Euro bleibt das Arbeits- und Sozialministerium dennoch der größte Einzelposten im Bundeshaushalt. Merz erklärte: „Wenn wir uns nicht mehr trauen, in diesem Transfersystem zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe.“
Kritik von Opposition und Sozialverbänden
Die Ankündigung stieß auf heftigen Widerstand. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, sprach von „Populismus“ und warf Merz vor, die Schwächsten der Gesellschaft ins Visier zu nehmen. Auch die Linke kritisierte die geplanten Kürzungen scharf und verwies darauf, dass viele Bürgergeldempfänger lediglich ihr zu niedriges Einkommen aufstocken müssten. Insgesamt beziehen bundesweit 3,93 Millionen Menschen Bürgergeld, davon haben rund 1,2 Millionen noch nie gearbeitet.
Vermittlungen und Sanktionen in Neukölln
Im ersten Halbjahr 2025 konnten im Jobcenter Neukölln rund 4.000 Leistungsbezieher erfolgreich in Arbeit vermittelt werden. Von Mai 2024 bis April 2025 verhängte die Behörde 9.895 Sanktionen, wobei nur 235 Fälle auf die Weigerung zurückzuführen waren, eine Arbeitsstelle oder Ausbildung anzunehmen. Brendel fasst zusammen: „Mich ärgert der generelle Vorwurf, Leistungsberechtigte seien unmotiviert und nutzten das System aus.“