Lecornu tritt zurück – Paris im politischen Ausnahmezustand
Frankreich erlebt erneut ein politisches Erdbeben: Premierminister Sébastien Lecornu hat nach nur einem Monat im Amt überraschend seinen Rücktritt erklärt. Präsident Emmanuel Macron akzeptierte das Rücktrittsgesuch umgehend – und steht nun vor der Herausforderung, bereits den sechsten Premierminister innerhalb von zwei Jahren zu ernennen.
Der Schritt kam nur wenige Stunden, nachdem Lecornu die Zusammensetzung seines Kabinetts bekannt gegeben hatte. Diese löste einen massiven Streit mit den konservativen Republikanern aus, die Teil der brüchigen Regierungskoalition sind.
Innenminister Bruno Retailleau, der zugleich Parteivorsitzender der Republikaner ist, zeigte sich empört: „Unsere Partei wurde bei der Regierungsbildung übergangen“, erklärte er. Retailleau hatte ein Drittel der Ministerposten gefordert, doch Lecornu wies diese Forderung zurück – ein Schritt, der schließlich zu seinem politischen Ende führte.
Koalition zerbricht – Streit um Macht und Einfluss
Die Krise innerhalb der Pariser Regierung verschärft die ohnehin fragile Lage der Mitte-Rechts-Allianz zwischen Macrons Partei und den Republikanern. Besonders verärgert zeigte sich Retailleaus Lager über die Ernennung des ehemaligen Finanzministers Bruno Le Maire zum Verteidigungsminister – eine Entscheidung, die als Affront gegen die konservativen Partner gewertet wurde.
Kurz nach Bekanntgabe des Kabinetts drohten führende Republikaner mit einem Rückzug aus der Regierung, was die politische Instabilität weiter befeuerte. Lecornu, bislang als loyaler Verbündeter Macrons bekannt, sah keinen Ausweg mehr und reichte seinen Rücktritt ein – ein symbolischer Tiefpunkt für den Präsidenten, dessen Regierung seit Monaten mit Vertrauensverlust und Machtverlust zu kämpfen hat.
Finanzmärkte in Aufruhr – Banken geraten unter Druck
Der politische Schock machte sich unmittelbar an den Börsen bemerkbar. Der CAC-40-Index verlor 1,5 Prozent und war damit der schwächste Leitindex Europas. Besonders stark betroffen waren französische Bankenwerte: Société Générale brach um 6,7 Prozent ein, BNP Paribas um 3,4 Prozent und Crédit Agricole um 2,9 Prozent.


Gleichzeitig stiegen die Renditen französischer Staatsanleihen auf 3,56 Prozent, den höchsten Stand seit Monaten. Analysten warnten, dass die zunehmende Unsicherheit über die politische Stabilität Frankreichs auch die Bonität des Landes gefährden könnte. „Die Märkte reagieren empfindlich auf Machtvakuum und Haushaltsrisiken“, kommentierte ein Pariser Börsenstratege.

Macron verliert Rückhalt und Zeit
Für Präsident Macron ist die Regierungskrise ein herber Rückschlag. Nachdem bereits zwei seiner Premiers innerhalb kurzer Zeit gescheitert waren, steht er nun vor einer strategischen Zwangslage: Entweder er riskiert eine weitere schwache Regierung – oder er löst das Parlament auf und ruft Neuwahlen aus.
Mit einer Staatsverschuldung von über 3,3 Billionen Euro und einer wachsenden Rezessionsgefahr bleibt ihm kaum politischer Spielraum. Kritiker werfen ihm vor, das Land in eine „Dauerschleife instabiler Führungen“ geführt zu haben.
Anleger fliehen – Vertrauen schwindet
Internationale Investoren zeigen sich zunehmend verunsichert. Der französische Finanzmarkt gilt traditionell als stabil, doch die anhaltende politische Unsicherheit hat das Vertrauen erschüttert.
Banken warnen vor sinkender Liquidität, während Unternehmen über steigende Refinanzierungskosten klagen. Ökonomen befürchten, dass die politische Krise den wirtschaftlichen Erholungsprozess Frankreichs abwürgen und Investitionen im In- und Ausland ausbremsen könnte.
Die Rücktrittswelle und die wachsende Nervosität an den Märkten lassen Frankreichs politische Zukunft ungewisser erscheinen denn je – ein Land zwischen Reformstau, Schuldenkrise und Führungsmüdigkeit.