Nestlé zieht die Reißleine – 16.000 Stellen fallen weg

Von Heinz Gerhard Schwind
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Navratil unter Druck: Neuer Chef verschärft den Sparkurs mit dem größten Personalabbau in der Unternehmensgeschichte

Der traditionsreiche Lebensmittelkonzern Nestlé steht vor einem der tiefgreifendsten Einschnitte seiner Geschichte. Der neue Vorstandsvorsitzende Philipp Navratil hat ein massives Sparprogramm angekündigt, das bis Ende 2027 den Abbau von 16.000 Arbeitsplätzen vorsieht. Damit greift der Manager tief in die Strukturen eines Konzerns ein, der bisher als Inbegriff von Stabilität und Kontinuität galt.

Die Welt verändert sich, und Nestlé muss sich noch schneller verändern“, sagte Navratil bei der Präsentation der aktuellen Geschäftszahlen. Es ist ein Satz, der wie ein Fanal wirkt: Der einst träge Riese will wieder beweglich werden – auch um den Preis schmerzhafter Einschnitte.

Von den Kürzungen entfallen 12.000 Stellen auf Verwaltungs- und Bürobereiche, während die verbleibenden 4.000 Positionen in verschiedenen Geschäftssegmenten gestrichen werden sollen. Betroffen sind vor allem die zentralen Standorte in Europa und Nordamerika. Der Konzern beschäftigt derzeit rund 277.000 Mitarbeiter weltweit.

Das Ziel dieser rigorosen Maßnahme: eine jährliche Kostenreduktion um 3 Milliarden Schweizer Franken. Ursprünglich hatte Nestlé Einsparungen von 2,5 Milliarden Franken geplant, doch Navratil erhöhte das Ziel um 500 Millionen, um den Konzern effizienter, profitabler und widerstandsfähiger gegenüber globalen Preisschocks zu machen.

Es ist eine schwierige, aber notwendige Entscheidung“, erklärte der 48-jährige Schweizer. „Wir müssen unsere Organisation verschlanken, Prozesse beschleunigen und die Entscheidungswege verkürzen.“ Für viele Mitarbeiter dürfte das eine bittere Nachricht sein – doch für den neuen CEO ist sie der erste Schritt zu einer grundlegenden Neuaufstellung des Weltkonzerns.

Ein Manager mit klarer Agenda

Navratil gilt als Pragmatiker mit analytischem Scharfsinn. In seiner vorherigen Position als Leiter der Premiumsparte Nespresso hatte er die Marke neu ausgerichtet, die Produktlinie modernisiert und die Rentabilität gesteigert. Nun steht er an der Spitze des Mutterkonzerns – und übernimmt ein Unternehmen, das in den vergangenen Jahren durch interne Turbulenzen und sinkende Wachstumsdynamik verunsichert wurde.

Er trat sein Amt im September 2025 an, nachdem der bisherige Chef Laurent Freixe wegen einer internen Affäre abgesetzt worden war. Nur wenige Wochen später wurde auch der Verwaltungsratspräsident ausgetauscht, was die Tiefe der Umbrüche innerhalb der Konzernführung verdeutlicht.

Navratil will mit seiner neuen Strategie nicht nur sparen, sondern die gesamte Struktur von Nestlé umbauen. Er plant, Verantwortlichkeiten stärker zu dezentralisieren, um die einzelnen Geschäftsbereiche flexibler zu machen. Künftig sollen Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Märkte entstehen – also näher an den Verbrauchern.

In seinen Worten: „Nestlé muss wieder lernen, schnell zu handeln und nicht auf seine Größe zu vertrauen.“ Seine Botschaft richtet sich klar an jene, die den Konzern lange als schwerfälligen Tanker betrachtet haben. Der neue Kurs ist offensiv, kostenorientiert und kompromisslos – ein Bruch mit der Vergangenheit, aber wohl notwendig, um die Ertragskraft zurückzugewinnen.

Solide Umsätze – aber massiver Reformbedarf

Finanziell präsentiert sich Nestlé trotz der internen Umbrüche weiterhin robust. In den ersten neun Monaten des Jahres 2025 erzielte der Konzern einen Umsatz von 65,9 Milliarden Schweizer Franken. Das organische Wachstum belief sich auf 3,3 Prozent, bereinigt um Wechselkurseffekte sowie Zu- und Verkäufe von Geschäftsbereichen. Damit lag der Konzern leicht über den Erwartungen, was den Anlegern ein Signal der Stabilität gab.

Die bereinigte operative Gewinnmarge soll laut Navratil bei mindestens 16 Prozent liegen. Das Unternehmen hält an seinem Ziel fest, das Wachstum über den 2,2 Prozent des Vorjahres zu halten. Dennoch sieht der neue CEO die aktuelle Performance nur als Zwischenergebnis – nicht als Erfolg.

Wir dürfen uns auf diesen Zahlen nicht ausruhen. Jetzt müssen wir mehr leisten, schneller handeln und unsere Wachstumsdynamik beschleunigen.“ Mit diesen Worten machte Navratil deutlich, dass er mit bloßem Kostensparen nicht zufrieden ist. Sein Ziel ist es, Nestlé neu zu positionieren – als moderner, reaktionsfähiger Global Player in einer Branche, die sich durch Preisdruck, Konsumverhalten und Nachhaltigkeitsanforderungen rasant verändert.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Modernisierung der Produktions- und Lieferketten, die digitaler, effizienter und energieärmer werden sollen. Gleichzeitig will Navratil die Investitionen auf wachstumsstarke Segmente konzentrieren – darunter Kaffeeprodukte, Tiernahrung und Gesundheitsprodukte, die trotz Konjunkturflauten stabilen Absatz verzeichnen.

Ein Kulturwandel im Zeichen der Effizienz

Die Reformen von Philipp Navratil sind nicht nur finanzieller, sondern auch kultureller Natur. Jahrzehntelang galt Nestlé als Symbol schweizerischer Verlässlichkeit – solide, aber auch schwerfällig. Diese Ära geht nun zu Ende. Der neue Chef steht für ein Verständnis von Wirtschaft, das Geschwindigkeit, Datenkompetenz und marktorientierte Entscheidungen ins Zentrum rückt.

Interne Quellen sprechen von einer „Revolution der Unternehmenskultur“, die auf Leistung, Verantwortung und technologische Transformation setzt. Bürokratische Hürden sollen abgebaut, Entscheidungsprozesse digitalisiert werden. Der Fokus liege künftig weniger auf Hierarchie, sondern auf Ergebnisqualität und Innovationsfähigkeit.

Gleichzeitig betont Navratil, dass die Marke Nestlé ihren Kern – Vertrauen und Qualität – nicht verlieren dürfe. Der Konzern, dessen Markenportfolio von Nespresso, Maggi, Kitkat bis hin zu Vittel-Wasser und Purina reicht, soll schlanker, schneller und kundenorientierter werden.

Doch der Wettbewerb schläft nicht. Konkurrenten wie Danone und Unilever haben in den vergangenen Quartalen bewiesen, dass sie agiler auf Konsumtrends reagieren können. Während Unilever sein Sortiment konsequent auf Nachhaltigkeit trimmt, setzt Danone auf gezielte Innovationen im Bereich pflanzlicher Produkte. Nestlé dagegen kämpft noch mit trägen Strukturen und hohen Fixkosten – ein Problem, das Navratil mit seinem rigorosen Umbau lösen will.

Der Umbau des weltgrößten Lebensmittelkonzerns ist damit mehr als eine bloße Reaktion auf wirtschaftliche Zwänge. Er ist ein Signal, dass auch ein traditionsreiches Unternehmen den Mut haben kann, seine eigene Struktur radikal zu hinterfragen.

Für viele Beschäftigte bedeutet das Unsicherheit – für den Konzern jedoch eine strategische Neuausrichtung, die über die kommenden Jahre hinweg über seine Zukunftsfähigkeit entscheiden wird.

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