Washington verhängt Sanktionen gegen fünf Europäer
Die Regierung der Vereinigten Staaten hat kurz vor dem Jahreswechsel eine weitreichende Entscheidung im Bereich der internationalen Digitalpolitik getroffen. Fünf europäische Persönlichkeiten dürfen künftig nicht mehr in die USA einreisen. Unter ihnen befinden sich zwei deutsche Staatsbürgerinnen, die in Europa als profilierte Stimmen im Kampf gegen digitale Hassrede bekannt sind. Die Maßnahme wurde offiziell vom US-Außenministerium bestätigt und steht im Zusammenhang mit grundsätzlichen Differenzen über den Umgang mit Meinungsfreiheit und Plattformregulierung.
Deutsche Organisation im Mittelpunkt der Maßnahme
Betroffen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon, Gründerinnen und Geschäftsführerinnen der Berliner Organisation HateAid. Die gemeinnützige Initiative setzt sich seit Jahren für den Schutz von Persönlichkeitsrechten im digitalen Raum ein und unterstützt Betroffene von Online-Hass und Bedrohungen. Nach Darstellung der US-Regierung seien die Aktivitäten der Organisation Teil eines europäischen Systems, das aus amerikanischer Sicht die freie Meinungsäußerung im Internet einschränke.
US-Außenminister erhebt schwere Vorwürfe
US-Außenminister Marco Rubio begründete die Entscheidung mit deutlichen Worten. In einer öffentlichen Erklärung sprach er von einer systematischen Einflussnahme europäischer Akteure auf US-Plattformen. Wörtlich erklärte er:
„Zu lange haben politische Akteure in Europa versucht, amerikanische Unternehmen zur Unterdrückung unliebsamer Meinungen zu bewegen.“
Die Vereinigten Staaten würden solche Maßnahmen außerhalb ihres Hoheitsgebiets künftig nicht mehr akzeptieren. Rubio kündigte zudem an, dass weitere Personen auf die Sanktionsliste gesetzt werden könnten, sollten vergleichbare Aktivitäten fortgeführt werden.
Weitere internationale Persönlichkeiten betroffen
Neben den beiden deutschen Aktivistinnen umfasst die Entscheidung auch Imran Ahmed, Gründer des britischen Center for Countering Digital Hate, sowie Clare Melford, Mitbegründerin des Global Disinformation Index. Ebenfalls von dem Einreiseverbot erfasst ist Thierry Breton, ehemaliger EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen. Breton gilt als einer der zentralen Mitgestalter des europäischen Digital Services Act, der große Online-Plattformen zur Entfernung illegaler Inhalte verpflichtet.
Die Namen der Betroffenen wurden durch Sarah Rogers, Staatssekretärin für öffentliche Diplomatie im US-Außenministerium, öffentlich bestätigt.
Reaktionen der Betroffenen aus Deutschland
Die beiden deutschen Geschäftsführerinnen zeigten sich von der Entscheidung wenig überrascht. In einer Stellungnahme erklärten sie:
„Diese Maßnahme ist Ausdruck einer politischen Linie, die kritische Stimmen unter Druck setzt.“
Beide verwiesen darauf, dass ihre Arbeit auf demokratisch beschlossenen Gesetzen beruhe und dem Schutz von Menschenrechten diene. HateAid habe niemals Zensur betrieben, sondern bestehendes Recht angewendet und Betroffene unterstützt.
Rolle des Digital Services Act
Im Zentrum des Konflikts steht der Digital Services Act, ein EU-Gesetz, das Plattformen verpflichtet, rechtswidrige Inhalte konsequent zu entfernen. Die US-Regierung interpretiert dieses Regelwerk als Eingriff in die unternehmerische Freiheit amerikanischer Technologieunternehmen. Aus europäischer Sicht handelt es sich hingegen um die konsequente Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit im digitalen Raum.
Bundesregierung weist Vorwürfe zurück
Die Bundesregierung reagierte mit deutlicher Kritik auf die Einreiseverbote. Außenminister Johann Wadephul (CDU) bezeichnete die Entscheidung als „nicht hinnehmbar“. Der DSA sei demokratisch legitimiert und habe nicht das Ziel, Meinungsfreiheit einzuschränken, sondern strafbare Inhalte zu bekämpfen.
Auch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) stellte sich hinter HateAid. Die Organisation leiste „einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Persönlichkeitsrechte im Internet“. Die pauschale Einstufung als Zensur sei aus ihrer Sicht eine falsche Darstellung europäischer Rechtsprinzipien.
Kritik aus Brüssel und Paris
Die Entscheidung aus Washington löste auch auf europäischer Ebene Reaktionen aus. Die EU-Kommission forderte von den US-Behörden eine Klärung der Vorwürfe und verwies auf die regulatorische Eigenständigkeit der Europäischen Union. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erklärte, die Meinungsfreiheit sei „ein Grundpfeiler der europäischen Demokratie“.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einem Versuch der Einschüchterung und sicherte Thierry Breton politische Unterstützung zu. Auch António Costa, Präsident des Europäischen Rates, betonte, dass derartige Maßnahmen zwischen Partnern und Verbündeten nicht akzeptabel seien.
Grundsätzlicher Konflikt mit internationaler Tragweite
Der Vorgang verdeutlicht die zunehmenden Spannungen zwischen Europa und den USA im Bereich der Digitalregulierung. Während Washington die Maßnahmen als Schutz der eigenen Verfassungswerte versteht, sehen europäische Regierungen darin eine Missachtung demokratisch beschlossener Regeln.Die betroffenen Aktivisten kündigten an, ihre Arbeit ungeachtet der Sanktionen fortzuführen. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, man werde sich „weder politisch noch juristisch einschüchtern lassen“.
