Grundsicherung ersetzt Bürgergeld nach Koalitionskompromiss

Von Heinz Gerhard Schwind
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Kabinettsentscheidung fällt nach langem Ringen

Nach monatelangen Konflikten innerhalb der Bundesregierung hat das Bundeskabinett die Reform der sozialen Absicherung beschlossen. Das bisherige Bürgergeld wird abgeschafft und durch eine neue Grundsicherung ersetzt. Ausschlaggebend für die Einigung war eine präzise Anpassung des Gesetzestextes, die den zuvor blockierten Beschluss möglich machte.

Ein erster Versuch war noch eine Woche zuvor gescheitert. Damals hatten Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erhebliche Bedenken angemeldet. Der Tagesordnungspunkt wurde kurzfristig vertagt. Erst nach intensiven Gesprächen innerhalb der Koalition konnte nun ein gemeinsamer Nenner gefunden werden.

Anhörungsregelung als Kern des Konflikts

Der zentrale Streitpunkt betraf die Frage, unter welchen Bedingungen Leistungsempfänger vollständig sanktioniert werden dürfen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sah vor, dass vor einer vollständigen Leistungskürzung zwingend eine persönliche Anhörung stattfinden muss.

Bas begründete dies mit dem Schutz besonders vulnerabler Gruppen. Menschen mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen sollten nicht allein wegen versäumter Termine existenziell getroffen werden. Wörtlich erklärte sie, sie wolle „nicht die Falschen treffen.“

Aus Sicht der Union hätte diese Regelung jedoch erhebliche Konsequenzen gehabt. Kritiker warnten davor, dass sich wiederholt unkooperative Leistungsbezieher dauerhaft Sanktionen entziehen könnten.

Neuer Wortlaut schafft politischen Ausgleich

Der schließlich gefundene Kompromiss beruht auf einer gezielten Umformulierung. Die verpflichtende Anhörung wurde ersetzt durch eine „Gelegenheit zur Anhörung“. Im aktuellen Gesetzentwurf zur Grundsicherung ist festgehalten:

„Bei der Prüfung eines dritten aufeinander folgenden Meldeversäumnisses ist sicherzustellen, dass die Gelegenheit zur persönlichen Anhörung auch tatsächlich gegeben wird.“

Diese Passage war letztlich ausschlaggebend für die Zustimmung aller Kabinettsmitglieder. Sie ermöglicht Sanktionen bei wiederholtem Fehlverhalten, ohne den Schutz gesundheitlich beeinträchtigter Personen vollständig aufzugeben.

Jobcenter erhalten erweiterten Handlungsauftrag

Zusätzlich verpflichtet das Gesetz die Jobcenter, aktiv gegen einen vollständigen Kontaktabbruch vorzugehen. Vorgesehen sind neben klassischen Einladungsschreiben auch telefonische Kontakte sowie aufsuchende Maßnahmen. Ziel ist es, Leistungsbezieher weiterhin zu erreichen und Eskalationen durch Kommunikationsabbrüche zu vermeiden.

Der Gesetzgeber macht damit deutlich, dass Sanktionen nicht automatisch greifen sollen, sondern erst nach ernsthaften Kontaktversuchen.

Rückkehr zu strengeren Sanktionen

Inhaltlich markiert die neue Grundsicherung eine deutliche Abkehr von Teilen der Bürgergeld-Reform, die Anfang 2023 in Kraft getreten war. Rechte und Pflichten werden wieder klarer voneinander abgegrenzt. Der Fokus liegt stärker auf Mitwirkungspflichten und Arbeitsaufnahme.

Künftig können vollständige Leistungskürzungen ausgesprochen werden. In bestimmten Fällen ist auch der Wegfall der Kosten der Unterkunft vorgesehen. Die Bundesregierung verfolgt damit das Ziel, die Verbindlichkeit des Systems zu erhöhen und Fehlanreize zu reduzieren.

Parlamentarischer Weg noch offen

Der Kabinettsbeschluss stellt lediglich eine Etappe im Gesetzgebungsverfahren dar. Die Reform muss nun im Bundestag beraten und anschließend vom Bundesrat gebilligt werden. Änderungen im parlamentarischen Verfahren sind nicht ausgeschlossen.Kanzleramtsminister Thorsten Frei zeigte sich dennoch optimistisch. Er rechnet damit, dass die neue Grundsicherung im Frühjahr wirksam werden kann. Ob dieser Zeitrahmen eingehalten wird, hängt maßgeblich vom Verlauf der parlamentarischen Beratungen ab.

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