Spitzenrunde sucht Ausweg aus dem Rentenkonflikt
Die Koalitionspartner von CDU, CSU und SPD sind am Donnerstagabend zu einem angespannten Gipfel zusammengekommen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob das geplante Rentenpaket in seiner bisherigen Form Bestand haben kann. Seit 20 Uhr beraten die Parteichefs im Kanzleramt über mögliche Kompromisslinien.
Kern des Konflikts ist die Kritik der Jungen Gruppe innerhalb der Unionsfraktion. 18 Abgeordnete lehnen zentrale Elemente des Gesetzes ab, insbesondere die geplante Sicherung des 48-Prozent-Rentenniveaus bis 2031 und weitergehende Stabilisierungseffekte, die nach 2031 greifen sollen. Die Gruppe warnt vor steigenden finanziellen Belastungen.
Bundeskanzler Friedrich Merz und SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil hatten im Vorfeld deutlich gemacht, dass „am vorgeschlagenen Modell nicht mehr gerüttelt wird“. Unions-Fraktionschef Jens Spahn stellte jedoch ein „Rentenpaket 2“ in Aussicht, um die Abweichler einzubinden. Ungeachtet dessen gilt die Mehrheit im Bundestag als gefährdet, sollte die Junge Gruppe ihre Ablehnung aufrechterhalten.
Verbrenner-Streit spaltet das Bündnis
Neben der Rentenfrage ist das geplante EU-Verbot für neue Verbrennungsmotoren ab 2035 ein weiterer Streitpunkt. Der Beschluss sieht vor, dass ab diesem Jahr nur noch Neuwagen zugelassen werden dürfen, die kein CO₂ mehr ausstoßen. Das hätte faktisch das Aus für klassische Benziner und Diesel zur Folge.
Merz hatte nach einem Branchentreffen im Oktober erklärt, es dürfe „keinen harten Schnitt“ geben. Die Automobilindustrie befinde sich in einer schwierigen Phase, während die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen hinter den Klimazielen zurückblieben.
SPD-Vize Lars Klingbeil signalisierte Gesprächsbereitschaft: Er könne sich Lösungen vorstellen, die „mehr technischen Spielraum ermöglichen“ und hybride Technologien einbeziehen. Gleichzeitig hält seine Partei am Grundsatz des Zulassungsstopps ab 2035 fest.
CSU-Chef Markus Söder geht hingegen auf Konfrontationskurs und fordert, „das Verbrenner-Aus vollständig zu kippen“. Die Kommission der EU will bereits am 10. Dezember konkrete Vorschläge vorlegen. Der Koalitionsgipfel strebt eine gemeinsame Linie an, die sowohl industriepolitische Realitäten als auch Klimavorgaben berücksichtigt.
Heizungsgesetz erneut im Zentrum politischer Spannungen
Ein weiteres Konfliktfeld ist die geplante Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Das Gesetz aus Zeiten der Ampelkoalition hatte massive Kritik ausgelöst, insbesondere wegen Paragraf 71, der vorschreibt, dass neue Heizungen künftig zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden müssen.
Im aktuellen Koalitionsvertrag der neuen Regierung heißt es daher: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“ Was an seine Stelle treten soll, ist intern umstritten.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sprach von einem „faktischen Zwang zur Wärmepumpe“. Bauministerin Verena Hubertz warnte jedoch, dass ein zu weitreichendes Zurückdrehen die Klimaziele gefährden könne. Der Gipfel soll nun klären, wie technologieoffen die Neuregelung gestaltet wird und wie viel Zeit Hauseigentümer für den Umstieg erhalten.
Gesundheitsreform blockiert – Beitragssätze weiter unklar
Auch die Gesundheitskosten sorgen für Druck. Der Bundesrat hatte das von Gesundheitsministerin Nina Warken vorgelegte Sparpaket an den Vermittlungsausschuss verwiesen, weil mehrere Landesregierungen die geplanten Kürzungen bei Kliniken als „einseitig und nicht tragfähig“ bewerteten.
Bundeskanzler Merz stellte in Aussicht, dass die Krankenkassenbeiträge zum 1. Januar 2026 stabil bleiben sollen. Die Zeit drängt jedoch: Die Krankenkassen müssen bald über die Zusatzbeiträge entscheiden. Die Verbände hatten bereits gewarnt, dass trotz Sparpaket Belastungssteigerungen zu erwarten seien, wenn keine umfassendere Kostenreform gelingt.
Industrie warnt vor wachsender Standortkrise
Parallel zur politischen Debatte nimmt der wirtschaftliche Druck zu. Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) meldete einen massiven Beschäftigungsrückgang in der Industrie: Laut Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl verliere die Branche „monatlich rund 10.000 Beschäftigte“, davon 2.000 in Bayern.
Gößl wirft der Bundesregierung mangelnde Reformbereitschaft vor: „Wir fordern Taten“, erklärte er, und kritisierte insbesondere hohe Energiekosten, überbordende Bürokratie und die fehlende Entlastung im internationalen Standortwettbewerb.
Der wirtschaftliche Gegenwind wird zusätzlich durch die globale Unsicherheit verstärkt. Der schwache US-Dollar belastet die Exporte, während geopolitische Spannungen viele internationale Kunden veranlassen, Investitionsentscheidungen aufzuschieben.
SPD-Ministerin Bas als einzige Frau in der Verhandlungsrunde
Der Koalitionsausschuss besteht aus insgesamt elf Mitgliedern, darunter Arbeitsministerin Bärbel Bas, die zugleich SPD-Vorsitzende ist. Sie gilt als zentrale Stimme im Ringen um Renten- und Sozialpolitik.Die anderen Teilnehmer – neben Merz und Klingbeil unter anderem Jens Spahn, Markus Söder und mehrere Fraktions- und Parteistrategen – müssen eine Lösung finden, die sowohl den Koalitionsfrieden wahrt als auch die parlamentarische Mehrheit sichert. Ergebnisse sollen, wie schon im Oktober, frühestens am Freitag öffentlich mitgeteilt werden.
