Frauen weiterhin klar im Nachteil
Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen bleibt in Deutschland trotz leichter Fortschritte deutlich sichtbar. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes lag der durchschnittliche Stundenlohn von Männern im Jahr 2024 bei 26,34 Euro brutto, während Frauen im Schnitt nur 22,24 Euro verdienten. Der Unterschied von 16 Prozent wird vor allem durch zwei Faktoren erklärt: Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Branchen und sind zudem überdurchschnittlich oft in Teilzeitmodellen beschäftigt.
Neue gesetzliche Grundlage ab 2026
Bereits 2017 hatte die Bundesregierung mit dem Entgelttransparenzgesetz einen ersten Schritt unternommen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Einsicht in die Gehaltsstrukturen ihrer Firmen zu geben. Doch der Effekt blieb begrenzt. Nun greift ab 7. Juni 2026 die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz, die in nationales Recht umgesetzt werden muss und deutlich weitergehende Pflichten für Unternehmen vorsieht. Ziel ist es, den Gender-Pay-Gap nachhaltig zu verringern und Lohndiskriminierung rechtlich besser angreifbar zu machen.
Offenlegungspflichten für Unternehmen
Künftig gilt: Bereits in Stellenausschreibungen oder im Bewerbungsgespräch müssen Arbeitgeber eine Gehaltsspanne oder das Einstiegsgehalt angeben. Zudem dürfen Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr nach ihrem bisherigen Verdienst gefragt werden. Beschäftigte erhalten das Recht, Auskunft über das durchschnittliche Einkommen vergleichbarer Tätigkeitsgruppen zu verlangen – aufgeschlüsselt nach Geschlechtern.
Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, regelmäßig Informationen über interne Gehaltsunterschiede zu veröffentlichen. Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten müssen dies jedes Jahr tun, Unternehmen mit über 150 Mitarbeitern alle drei Jahre. Bei festgestellten Benachteiligungen können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine vollständige Nachzahlung fordern. Dabei gilt die Beweislastumkehr: Arbeitgeber müssen nachweisen, dass keine Diskriminierung vorlag.
Viele Firmen sind noch unvorbereitet
Eine Studie des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson (WTW) verdeutlicht, dass ein Großteil der Unternehmen bislang nicht ausreichend auf die neuen Regelungen eingestellt ist. Nur drei Prozent der befragten deutschen Firmen gaben an, bereits jetzt Gehaltsinformationen im Bewerbungsprozess offen zu legen. Gleichzeitig erklärten 48 Prozent, sie planten auch künftig keine Offenlegung von Gehaltsspannen, obwohl dies ab 2026 verpflichtend sein wird.
„Dass fast die Hälfte der Unternehmen keine Gehaltstransparenz einführen will, zeigt, wie wenig das Thema bislang ernst genommen wird“, kommentierte Florian Frank, Leiter des Bereichs Work and Rewards bei WTW.
Furcht vor Spannungen in der Belegschaft
Die Zurückhaltung vieler Unternehmen hängt vor allem mit Befürchtungen zusammen: Neun von zehn Betrieben gaben an, dass sie verstärkte Gehaltsforderungen und mögliche Konflikte innerhalb der Belegschaft fürchten, wenn die Einkommensunterschiede sichtbar würden.
Gleichzeitig betonen Fachleute, dass mehr Transparenz nicht nur ein Instrument gegen Diskriminierung sei, sondern auch das Vertrauen in Arbeitgeber stärken könne. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eröffnen sich damit neue Möglichkeiten, Ansprüche auf Gleichbehandlung konsequent einzufordern.