Polens symmetrische Antwort auf deutsche Politik
Die polnische Regierung unter Donald Tusk führt Grenzkontrollen zu Deutschland ein – als direkte Reaktion auf die verschärften Maßnahmen der Bundesrepublik. Tusk sprach von einer „symmetrischen“ Antwort und verwies auf ähnliche Entwicklungen in der Region: Tschechien kontrolliert die Slowakei, die Slowakei wiederum Ungarn, Polen nun Deutschland – ein Dominoeffekt in Mittelosteuropa.
Neben sicherheitspolitischen Erwägungen spielen auch innenpolitische Gründe eine Rolle. In Grenzregionen zu Deutschland patrouillieren Bürgerwehren, angestachelt durch rechte Politiker wie Robert Bąkiewicz. Unterstützung erhalten sie von der PiS-Partei und dem neuen Präsidenten Karol Nawrocki. Umfrageverluste für Tusks Partei stärken die rechtsextremen Kräfte im Land.
Flüchtlinge geraten zwischen die Fronten
Polens neue Kontrollen könnten zur Zuspitzung der Lage Geflüchteter führen. Die Polizeigewerkschaft warnt vor einem Szenario, in dem Zurückgewiesene weder in Deutschland noch in Polen Aufnahme finden. Innenminister Dobrindt wies entsprechende Bedenken als unbegründet zurück und versicherte: „Ein solches Szenario wird sich nicht abspielen.“
Staus an Grenzübergängen, insbesondere auf Autobahnen, gelten ab Montag als wahrscheinlich. Bereits zuvor hatten deutsche Kontrollen auf polnischer Seite zu erheblichen Rückstaus geführt. Für viele Grenzpendler drohen damit erneut lange Wartezeiten.
Rückläufige Zahlen, steigende Härte
Die Zahlen sprechen eigentlich für Entspannung: Die illegale Migration ist gegenüber den Vorjahren gesunken. 2025 wurden bisher 30.600 unerlaubte Einreisen festgestellt, 2024 waren es 42.400, 2023 sogar 45.000. Seit Mai zählt die Bundespolizei 6.200 Zurückweisungen – auch bei Personen mit Asylersuchen.
Mehrere Verwaltungsgerichte halten dieses Vorgehen für rechtswidrig. Trotzdem verfolgt das Innenministerium die harte Linie weiter. Immerhin konnten laut Bundespolizei 1.500 Haftbefehle im Zuge der Kontrollen vollstreckt werden.
Diplomatischer Gegenwind aus Europa
Die Reaktionen aus den Nachbarstaaten sind deutlich: Luxemburg fordert die Rückkehr zu einer Schengen-konformen Lösung, ebenso Tschechien. Österreich sieht die deutsche Asylpraxis sogar als Verstoß gegen europäisches Recht.
Auch innerhalb der Koalition wächst der Druck. Die SPD erinnert an die Vereinbarung, Grenzkontrollen nur in Abstimmung mit Nachbarstaaten zu verschärfen. Adis Ahmetović erklärt: „Die Reaktion Polens zeigt, wovor wir seit Jahren warnen: In Fragen der Sicherheit braucht es echte Zusammenarbeit.“
Angebote zur Deeskalation
Berlin zeigt sich inzwischen gesprächsbereit. Dobrindt schlug bilaterale Kontrollen mit Warschau auf deutschem Territorium vor. Kanzler Merz will mit Luxemburg gemeinsame Hinterlandkontrollen prüfen. Beides dient offenbar der Vermeidung eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. Dort könnte Berlin den Kürzeren ziehen – viele Juristen zweifeln, ob die Notfallklausel der EU rechtlich haltbar ist, angesichts sinkender Migrationszahlen.